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Wieder Flüchtlinge in der Herberge

Westfalenpost. 29.11.2023, 14:22 | Lesedauer: 6 Minuten

Flemming Krause

Heggen.  Die ehemalige Jugendherberge in Heggen wird zur Asylunterkunft des Landes. Nicht zum ersten Mal ziehen hier Flüchtlinge ein. So reagiert der Ort.

Auf ihre Willkommenskultur legen die Bürger aus Heggen großen Wert. „Mit unseren Vereinen gehen wir auf die Flüchtlinge zu und heißen sie willkommen“, betont Uli Brömme stellvertretend für viele Anwohner des rund 2700-Einwohner-Dorfes aus der Gemeinde Finnentrop. Ihre Heimat dient seit der Flüchtlingskrise 2015/16, mit kurzen Unterbrechungen, als unverzichtbarer Standort für die Unterbringung von Menschen, die vor Krieg und Leid fliehen. Daran wird sich zumindest in absehbarer Zukunft nichts ändern. Den Grund dafür findet man mitten im Ort, wo die ehemalige Jugendherberge steht. Das leerstehende Gebäude wird ab Januar zur Zentralen Flüchtlingsunterkunft (ZUE) des Landes NRW mit Platz für maximal 208 Menschen. Damit entsteht neben der ehemaligen Familienferienstätte „Regenbogenland“ in Olpe die zweite Landesunterkunft für Asylsuchende im Kreis Olpe. Mit der Gemeinde Finnentrop als Eigentümerin hat die zuständige Bezirksregierung Arnsberg vertraglich beschlossen, dass für gut zwei Jahre ausschließlich Familien in der alten Herberge unterkommen, für die Dauer von maximal einem halben Jahr. Danach werden die geflohenen Familien auf die Kommunen verteilt. Es ist eine klassische win-win-Situation: Das Land bekommt eine dringend benötigte Unterkunft und der Gemeinde werden die gut 200 Plätze auf die kommunale Verteilung angerechnet – und zwar unabhängig davon, wie viele Betten belegt sein werden.

„Ihr könnt euch auf Heggen verlassen, wir werden es auch dieses Mal gut machen“, springt Barbara Sander-Graetz Uli Brömme zur Seite. Wohlwissend, dass Flüchtlinge in dem einstigen Krankenhaus längst zum Ortsbild gehören. Als die große Flüchtingswelle 2015/16 nach Deutschland überschwappte, nutzte das Land NRW die Liegenschaft bereits als Notunterkunft. Anschließend brachte die Gemeinde kommunal zugewiesene Flüchtlinge in dem leerstehenden Gebäude unter. Zuletzt nutzte der Kreis Olpe das einstige Krankenhaus als interkommunale Notunterkunft für Menschen aus der Ukraine. Es blieb in all den Jahren weitgehend ruhig.

Und das soll auch während den gut zwei Jahren so bleiben, in denen das Land die Herberge betreibt. Dafür sorgen unter anderem ein Sicherheitsdienst, ein Umfeldmanager und ein großer Zaun, der auf dem rund 10.000 Quadratmeter großen Grundstück entsteht. Doch braucht es den überhaupt? Ein klares Nein kommt von Uli Brömme, einer von rund 80 Bewohnern, die am Dienstagabend zur Informationsveranstaltung von Bezirksregierung und Gemeinde in die Schützenhalle kommen. Er will damit sagen, dass das Land die Geflohenen nicht einsperren soll und auch nicht vor den Bürgern aus Heggen schützen müsse.

Kein hoher Stacheldrahtzaun

Klaudia Wiechers, zuständige Dezernentin bei der Bezirksregierung, besänftigt: Es werde „kein drei Meter hoher Stacheldrahtzaun errichtet“, doch man komme an der Vorgabe nicht vorbei. Wiechers erklärt: „Dieser Zaun dient vor allem dem Schutz der Bewohner, hier werden Familien mit kleinen Kindern leben. Wir müssen den Zugang steuern können, um zu wissen, wer sich im Gebäude aufhält.“ Trotzdem dürften sich die Flüchtlinge frei im Ort bewegen, der Zaun suggeriere kein Gefängnis.

Ob sich die Familien jedoch ernsthaft im Ort integrieren können, ist fraglich. Das hängt zum einen mit der kurzen Verweildauer von nur sechs Monaten zusammen, zum anderen auch damit, dass die Kinder weder ins bestehende Schul- noch ins Kitasystem integriert werden. Ein Betreuungsangebot entsteht in der ZUE, angedacht sind unter anderem eine Kinderspielstube und eine Kleiderkammer. Darüber hinaus gibt es einen Verpflegungsdienstleister und eine Sanitätsstation. „Wir werden uns darum bemühen, eine ärztliche Sprechstunde anzubieten“, versuchte die Dezernentin die Bewohnerin Hildegard Harmers zu besänftigen, die die Gefahr sieht, dass die einzige Arztpraxis im Ort ansonsten überlaufen werde.

Henkel verspricht die „klassische Familie“

Eine weitere Sorge äußerte Barbara Sander-Graetz, die danach fragte, wie die Bezirksregierung den Begriff Familie definiere, „denn drei Brüder und ihre zwei Cousins sind auch eine Familie“. Darauf antwortete Bürgermeister Achim Henkel (CDU), es werde die klassische Familie sein, also Mutter, Vater und die Kinder. Sander-Graetz kennt sich in dem Gebäude bestens aus, als Mitarbeiterin des DRK verantwortete sie zuletzt den Betrieb der interkommunalen Unterkunft des Kreises. Deswegen äußerte sie offen ihre Skepsis, ob wirklich 200 Menschen dort unterkommen können: „Das ist utopisch! Die Herberge war zuletzt in der Spitze mit maximal 130 Ukrainern belegt.“ Sie wies auf den baulichen Zustand der Liegenschaft hin und sagte: „Der Schwarzschimmel ist hier zuhause.“

Ganz so dramatisch sei es nicht, entgegnete Bürgermeister Henkel. Die Gemeinde werde jedoch die offensichtlichen Mängel bis zum Einzug der ersten Asylsuchenden beheben. Dazu gehört unter anderem, dass die Wasserschäden in zwei Zimmern behoben und die Fenster zum Teil ersetzt werden, zudem entstehen Auto-Stellplätze für die Beschäftigten auf einer Grünfläche vor dem Eingang. Auch die Baugrube vor dem Gebäude werde noch geschlossen, hier ließ die Gemeinde zuletzt drei alte Öltanks entfernen. Auch diese Maßnahmen seien Teil der Willkommenskultur, denn das gemeinsame Bestreben von Bezirksregierung und Gemeinde laute, die Geflohenen menschenwürdig unterzubringen. Geräuschlos. Dass es klappt, davon sind auch die Bewohner selbst zu einem Großteil überzeugt.

 

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